Aus der Fotoperspektive …
Ein bisschen war es schon wie ‚Überraschung‘, nach Vlotho zu fahren und nicht mehr als den Titel der Veranstaltung zu wissen, die dort stattfinden sollte.
Unter open space findet man: …ist eine Konferenz-Methode und für Gruppen von 5 bis mehr als 2000 Teilnehmer geeignet. Und …der Erfinder Harrison Owen hätte auf einer Terrasse am Meer gesessen und überlegt, wie man eine Konferenz gestalten könnte, die nur noch aus Kaffeepausen besteht, weil die das Interessanteste an einer Tagung wären. Das klang für mich, als ob ein Cocktail gemixt werden sollte, von dem man aber auch besoffen werden kann.
Diesen Raum besonderer Qualität öffnete für uns Michael M Pannwitz aus Berlin. In Vlotho strahlte die Sonne vom blauen Himmel - für mich als fotografierende Teilnehmerin ideale Arbeitsbedingungen.
Zuerst fielen mir die Menschen auf, wie sie ankamen mit großen und kleine Taschen und mir fielen die auf, die schon da waren und alles organisierten. Mit Listen und Schlüsselbunden in den Händen.
Ich habe selten eine Tagung erlebt, die so gut organisiert war. Vom Papier mit funktionierenden Stiften über Räume mit genügend Stühlen bis zum Kaffeelöffel.
Das Thema Systemische Kinder und Jugendhilfe ist komplex, was eine der Voraussetzungen für Open Space sein soll. Wie man dabei Lust empfinden kann, sollte als zu behandelnde Unbekannte die zweite Voraussetzung für open space sein. Einige Themen brannten unter den Nägeln in einer sehr inhomogenen Gruppe sozial arbeitender Menschen und einem Hund. 2004 fand eine open space Veranstaltung mit 2108 Menschen statt, in Vlotho trafen sich 94.
Wegen des Wiedererkennungseffektes wurden die Teilnehmer am ersten Abend mit einem Podium in die Arbeit eingeführt. Da die gesamte Veranstaltung eine einzige Pause war, gab es auch ständig zu essen und über die Tageszeiten verteilte sich ein ständig veränderndes Angebot an Leckereien. Auch wenn dem Koch kaum ein Lächeln abgerungen werden konnte, sein Handwerk verstand er bestens.
Open space kann man nicht erzählen, man muss es machen, darüber lesen kann man auf
www.michaelmpannwitz.de. Ich wage einen kleinen Versuch.
Zuerst werden Anliegen mitgeteilt – öffentlich. Daraus entstehen klitzekleine oder große Gruppen, die dann dieses Anliegen bearbeiten wollen. Es gibt feste Zeiten, zu denen man sein Anliegen beginnt zu bearbeiten. Wem mitten am Tag eine neue Idee kommt, der kann sein neues Anliegen an einer Pinnwand aufhängen und da alle dort oft lesen, darf er auf Mitstreiter hoffen. Wer keine Lust mehr hat oder glaubt nichts mehr profitieren oder beitragen zu können, ehrt die Gruppe durch weggehen, darf woanders „hinhummeln“ und in einer anderen Gruppe teilnehmen. Manchmal hat man gar keine Lust auf Gruppe und Thema und setzt sich auf die Wiese. Dann passiert es gern, dass man angesprochen wird, denn laut Regel ist man dann ein „Schmetterling“ und vielleicht brütet man gerade über einem spannenden Gedanken, aus dem sich dann eine neue Gruppe der Lust (an der Jugendhilfe) bilden könnte, wenn man denn gefragt hätte. Zwischendurch wird es wichtig, sich wieder ein Selleristänglein einzudippen und mit Tee oder Kaffee nachzuspülen. (Hummeln und Schmetterlinge sind von Michael M Pannwitz eingeführte Begriffe)
Über 2 Tage bildeten sich mehr als 25 Gruppen, Grüppchen, Workshops und interessante Zusammenrottungen, um zu arbeiten. Die Themen variierten breit von: „Wie stärken wir unsere wertschätzende Haltung“, „Weniger ist manchmal mehr“ und „Demenz in der Familienberatung“, „Energetische Familienberatung“, „Jungs und Mädchen – Mädchen oder Jungs“… man möge seine Fantasien sprießen lassen über deren Inhalte.
Laut Michael M Pannwitz ist es normal, wenn am ersten Tag sehr konzentriert gearbeitet würde und am zweiten Tag die Kreativität voll zum Zug kommt. Das äußerte sich u. a. in der aufgegriffenen These vom Vorabend: „Der Wiederstand ist tot, er ist im Garten begraben“, zu der dann am 2. Tag im Garten diskutiert wurde. Da nützte auch herumhummeln nichts, es war unmöglich, überall dabei sein zu wollen.
Seit Vlotho weiß ich, dass man auch durchs Gebüsch kraxeln kann, um soziale Themen zu erörtern und was dabei herauskommt sind mindestens 16 glückliche Gesichter.
Open Space ist etwas, worauf man sich einlassen muss.
Was dabei in Vlotho an inhaltlichen Ergebnissen herausgekommen ist, können sich Interessierte in Kürze unter www.jugendhofvlotho.de anschauen, einschließlich vieler eindrucksvoller Fotos.
Katrin Richter, Laboe – 12. Mai 2007