Veranstaltungsbericht zur 11. Summer School 2019 in Seeon
Die Sommerakademien (Summer Schools) „Human Change Processes“ haben sich seit nunmehr 12 Jahren als regelmäßiger Treffpunkt für Wissenschaftler/-innen, Studierende und wissenschaftlich interessierte Praktiker/-innen etabliert. Kontinuierliches Thema sind menschliche Veränderungsprozessen aller Art. Neben den Vorträgen und Diskussionen auf hohem Niveau ist auch der informelle Austausch und der immer wieder geförderte Dialog von Praxis und Forschung ein Markenzeichen der Summer Schools. Zum Gelingen der dreitägigen Veranstaltungen trägt nicht zuletzt das wunderbare Ambiente des Bildungszentrums Kloster Seeon bei, ein ehemaliges Benediktinerkloster auf einer Halbinsel im Seeoner See (Chiemgau, Oberbayern). Anders als bisher fand die Summer School in englischer Sprache statt, was der Internationalität der Teilnehmer/-innen und Referenten/-innen – in diesem Jahr unter anderem aus Frankreich, Dänemark, USA, England, Italien, Rumänien, Brasilien, Deutschland, Österreich – entsprach und auch in Zukunft beibehalten werden soll.
Veranstalter der Reihe der Sommerakademien sind unter der wissenschaftlichen Leitung von Günter Schiepek das Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung (Paracelsus Medical University Salzburg), die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste, das Center for Complex Systems, die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), sowie seit zwei Jahren auch die Ludwig-Maximilians Universität München (Department of Psychology). Die Summer School wurde eröffnet vom Präsidenten der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Prof. Dr. Dr.h.c. Felix Unger, vom Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der PMU Salzburg, und von einem Grußwort des Vorstandes der DGSF. Den Eröffnungsvortrag zum Thema „Computability and Digitalization in Human Sciences“ hielt Prof. Klaus Mainzer, TU München.
In diesem Jahr wurde ein Bogen geschlagen von Veränderungsprozessen im Gehirn (Dynamik neuronaler Netze und Konnektivitätsstrukturen) über Multimethoden-Ansätze zur Identifikation von Musterwechseln in Psychotherapie und Beratung hin zu „organizational change“, also Veränderungen von Strukturen und Abläufen in Teams und Organisationen. Zwei Workshopblöcke mit dem Charakter eines Erfahrungsaustauschs fanden statt zu den Themen „organizational change“ (Impulsvortrag von Prof. Christiane Schiersmann, Universität Heidelberg) und Prozessmonitoring in der Psychotherapie (Yvonne Hülsner, Mathea Stern, Roswitha Carl, Birgit Falkensteiner, Hannes Goditsch, Georg von Walterskirchen). Ein großer Themenschwerpunkt richtete sich auf nichtinvasive Methoden der Neurostimulation bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, wobei Prof. Viktor Jirsa (Institut de Neurosciences des Systèmes - Inserm und der Aix-Marseille Université) von neuen Verfahren des brain network modeling (Functional Connectivity Dynamics and The Virtual Brain) ausging, um Anwendungen im Bereich der Neurostimulation auszuloten, während Prof. Klaus Mathiak (Universitätsklinikum der RWTH Aachen und Forschungszentrum Jülich) über aktuelle Entwicklungen des real-time fMRI zur Neuromodulation symptom-spezifischer Netzwerke bei psychiatrischen Störungen berichtete. Weitere Beiträge zur Neuromodulation und Netzwerkmodellierung thematisierten die Coordinated Reset (CR)-Therapie bei Tinnitus (PD Dr. Christian Hauptmann, Aureliym GmbH & Desyncra Operating GmbH, Bad Neuenahr) sowie Netzwerkveränderungen bei Psychotherapie von Depression (Dr. Hans Menning und Arbeitsgruppe von Prof. Schiepek am Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung, CDK Salzburg).
Zur Modellierung psychologischer Netzwerke wurden sowohl neue Ergebnisse (Leon Kratzer) als auch eine umfassende Methodenkritik (Dr. Schöller, Dr. Viol, Prof. Schiepek) vorgestellt und diskutiert. Neue Anwendungen des internet- und app-basierten Synergetischen Navigationssystems (inzwischen erweitert um verschiedene neue Funktionalitäten, Guilherme Mussi und Günter Schiepek) stehen im Bereich des Epilepsie-Monitorings (Dr. Rosa Michaelis) und der ambulanten Psychotherapie zur Verfügung, worüber von Dr. Egon Bachler und Yvonne Hülsner berichtet wurde. Innovative Konzepte (Experiential Balance Approach, Prof. David Pincus, Chapman University, California) und Forschungsansätze der Psychotherapie liegen z.B. im Bereich der Muli-Methoden-Forschung auf unterschiedlichen Zeitskalen (Prof. Sune Vork Steffensen, University of Southern Denmark, Centre for Human Interactivity), der Synchronisation von Therapeut und Klient (Dr. Johann Kleinbub, University of Padova) oder der Integration von semiotischer und physiologischer Dynamik (Prof. Franco Orsucci, University College London). Viel Beachtung fanden aktuelle Studien zur Mind-Matter-Interaktion auf quantenphysikalischer Basis (Prof. Markus Maier, LMU München).
Die Summer School 2019 kann mit mehr als 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Erfolg gelten, mit zahlreichen neuen Impulsen, Vernetzungen und internationalen Kontakten. Die 12. Internationale Summer School wird wieder in Seeon von 27. bis 29. Juli 2020 stattfinden.
Bericht: Günter Schiepek