Vielfalt, die fasziniert – immer wieder!
Die bayerische Landeshauptstadt meinte es gut mit den rund 700 Menschen aus der DGSF, die sich – teilweise schon vor der eigentlichen Tagung: im Forum Gesellschaftspolitik, bei der Institute- und im Rahmen der Mitgliederversammlung – trafen, um aktuelle Themen zu verhandeln. Sonnenschein pur und bayerisch-blauer Himmel sowie eine bezaubernde Stadt sorgten für die passende Kulisse.
Unter dem Motto „Von der Neutralität zur Parteilichkeit – SystemikerInnen mischen sich ein“ bot das MISW unter der Leitung von Tobias von der Recke und seinem Team ein dreitägiges Programm mit einem beeindruckendem Spektrum an Vorträgen und Workshops. So lieferte beispielsweise am Eröffnungstag der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Armin Nassehi (LMU München) mit seinem Vortrag „Die Ästhetik der Flüchtlingskrise. Bilder und Motive einer gesellschaftlichen Herausforderung“ einen spannenden Überblick über die perspektivischen Varianten auf eines der kontroversesten Themen unserer Zeit. Passend, dass auch im Forum Gesellschaftspolitik hierzu debattiert wurde, nachdem einer der Mitbegründer von „Resqship e.V.“ über die Arbeit des Vereins berichtet hatte, der seinen Sitz in Hamburg hat und sich für die zivile Seenotrettung stark macht.
Auch der Münchner Psychoanalytiker und Erfolgsautor Dr. Wolfgang Schmidbauer trat als Hauptredner auf, er sprach am Schlusstag der Veranstaltung über „Das unmögliche Geschäft der Allparteilichkeit“ – und regte damit sein Publikum erneut zum Nachdenken über die Varianz von Betrachtungsweisen an. Die damit reichlich gerühmte Vielfalt zog sich durch die komplette Tagung, denn die Mitglieder – ganz dem Tagungstitel entsprechend – mischten sich fleißig ein: Dr. Lars Anken (Universität Koblenz-Landau), Leiter des Instituts für systemisch-konstruktivistische Kommunikation (ISKKO) und Co-Sprecher der Fachgruppe Armut-Würde-Gerechtigkeit bot mit seinen Studierenden die Möglichkeit, sich zu eigenen Armutserfahrungen interviewen zu lassen. Einen knappen Einblick in die spannenden Resultate war dann bereits zum Ende der Tagung in Form eines kurzen Video-Clips zu sehen und machte Lust auf mehr – so ist zu hoffen, die DGSF lädt das Studierenden-Team im kommenden Jahr erneut ein, um in Oldenburg die kompletten Resultate der Forschung der versammelten Menge zu präsentieren.
Ein weiteres Highlight in den Hallen des MOC war der „Raum der Einmischung“ als ein Ort, an dem Interessierte ihre Perspektiven und Meinungen teilen konnten. Hiervon wurde rege Gebrauch gemacht – zahlreich und über mehrere Workshopschienen hinweg trafen sich engagierte und neugierige DGSF-Mitglieder zum intensiven Austausch. Anderswo ging es ebenso eifrig zur Sache, boten doch die Veranstaltungen ein reichhaltiges Programm von Neuem wie Bekanntem – darunter mittlerweile ein paar echte Klassiker — sowie von wissenschaftlich-theoretischem, methodisch-handwerklichem, und gesellschaftlich-politischem, für die sich als Format in Zukunft sicher „thematisch gewichtete Parallel-Stränge“ anböten, um divergierenden Interessensrichtungen von Teilnehmenden entgegen zu kommen. Diesen Unterschieden entsprechend wurden auch in den Pausen die Tagungsgäste nicht müde, sich kontrovers über den Stand der Dinge bezüglich Tagung, Verband und Gesellschaft auszutauschen. Hier plädierte man mit Hinblick auf Teilhabe und Gerechtigkeit für moderate Preise von Pausengetränken, Festtickets und Tagungsbeiträgen, dort debattierte man im Sinne der Teilnahmemotivationen die Gewichtung von gesellschaftspolitischen versus beratungspraktischen Tagungsthemen, wiederum anderswo über professionelle Herausforderungen im Umgang mit aktuellen Spannungen im Gesellschaftsgefüge.
Bereits im Rahmen der Mitgliederversammlung experimentierten auch der Vorstand und die weiteren Verbandsorgane mit neuen Interaktionsformen wie dem „Marktplatz“ als Ort für Information und Begegnung. Der belebende Effekt für die sonst oft auch zehrende Sitzung, sowie der Mehrwert für die Teilnehmenden an der Mitgliederversammlung ließen sich sicher durch ergänzende Großgruppenmoderationsformate weiter steigern, und einige Stimmen äußerten diesbezüglich bereits verhalten Zuversicht und blicken mit Neugier auf das kommende Jahr. In Anbetracht der gelebten Vielfalt und ihrer Begleiterscheinungen innerhalb des Verbandes, wie etwa Kontroversen um angemessenen Umgang mit Diversität, politischer Überzeugung, Konfessionalität oder thematischer Gewichtung und Wissenschaftlichkeit, war es umso erfreulicher, dass auch der Ethikrat auf dem Marktplatz präsent war, um sich mit den Anregungen zu einer systemischen Ethik zweiter Ordnung zu befassen, die einem renommierten Verband wie der DGSF sicher hervorragend zu Gesicht stünde – und ganz nebenbei auf elegante Weise die Dynamik besagter Debatten deutlich entspannen könnte. Zumindest wurde im Abschlussvortrag des ehemaligen Vorsitzenden Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Universität Heidelberg) deutlich, dass die aktuellen Herausforderungen für Gesellschaft wie Verband eines Weiterdenkens bedürften – ein Plädoyer für weiteres Engagement in Verband und Gesellschaft sowie ein Ausblick auf Dinge, die da kommen mögen.
Nicht unerwähnt soll das Tagungsfest bleiben, zu welchem uns der Gastgeber Tobias von der Recke als leibhaftige Rockröhre mit seiner Band höchstpersönlich und beeindruckend beschallte und damit als bisher einzigartig in die Verbandsgeschichte eingegangen ist. Dass die Tanzfläche vom ersten bis zum letzten Lied stets voll war überrascht zwar bei der DGSF niemanden, bleibt aber auch nach all den Jahren immer noch bemerkenswert. Ein tolles Fest, mit dem der Staffelstab übergeben ist und die Latte hoch hängt! Unsere Augen richten sich nach Oldenburg, wo wir im September 2018 unter der Regie von Dr. Joseph Rieforth anknüpfen werden. Danke an alle Teilnehmenden, an die Geschäftsstelle, an den Vorstand, und an Tobias von der Recke und sein Team vom MISW.