Systemisch unterwegs: verbindend, bewegend, verändernd - Eindrücke vom Deutschen Jugendhilfetag 2025

Vom 13. bis 15. Mai 2025 fand der 18. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) in Leipzig unter dem Motto: „Weil es ums Ganze geht: Demokratie durch Teilhabe verwirklichen!“ statt. Die beiden systemischen Fachverbände DGSF und Systemische Gesellschaft (SG) waren erstmals mit einem Gemeinschaftsstand vertreten und präsentierten sich mit Mitgliedern beider Verbände auf der Fachmesse.

Über drei Tage hinweg erlebten wir intensive und vielfältige Begegnungen. Kolleg*innen aus Praxis und Lehre, Studierende, Vertreter*innen von Trägern und Einrichtungen sowie Menschen aus Politik und Verwaltung kamen mit uns ins Gespräch. Besonders eindrücklich war der stetige Besucherfluss mit der wiederkehrenden Aussage: „Schön, dass ihr auch hier seid!“ Die systemische Haltung wurde als bekannt und geschätzt wahrgenommen, insbesondere unter Fachkräften, die mit Kindern, Jugendlichen und Familien arbeiten. Die Atmosphäre war durchweg offen und interessiert. Unser Stand wurde nicht nur als Informationsort, sondern auch als Raum für Begegnung und kollegialen Austausch genutzt.

Im Mittelpunkt stand unser neuer Aufsteller „Systemisch Schule machen“, der auf großes Interesse stieß. Viele Besucher*innen blieben stehen, blätterten durch die dargestellten Alltagssituationen und diskutierten die systemischen Handlungsoptionen. Unsere mitgebrachten Exemplare waren schnell vergriffen. Darüber hinaus präsentierten wir zentrale Elemente des systemischen Ansatzes, z. B. durch kleine Aufstellungen, die das Denken in Systemen sichtbar machten, oder durch Impulsfragen zur Selbstreflexion auf einem überdimensionalen Würfel. Auch der Bereich „Systemische Haltung im Kinderschutz“ stieß auf großes Interesse, ebenso wie Informationen zu verbandlichen Arbeitsgruppen und Weiterbildungsangeboten. Besonders lebendig wurde der Stand durch die kleinen Workshops und Mitmachformate, die Mitglieder beider Verbände direkt vor Ort durchführten. Sie luden zu interaktiven Kurzformaten ein – etwa zu Perspektivwechsel, Selbstreflexion oder systemischen Fragen im Schulkontext – und machten die systemische Haltung unmittelbar erlebbar.

Online ist der Aufsteller abrufbar unter: www.systemischschulemachen.de.

Der gemeinsame Stand unter dem Motto „verbindend, bewegend, verändernd“ war ein sichtbares Zeichen der Kooperation. Beide Verbände eint ein systemisches Verständnis und das Anliegen, die Kinder- und Jugendhilfe aktiv mitzugestalten.

DJHT mit politischem Blick

Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karin Prien, eröffnete die Veranstaltung und betonte in ihrer Rede:

„Ein gutes Leben beginnt wie ein Hausbau – mit einem stabilen Fundament. Die Kinder- und Jugendhilfe ist unverzichtbar, wenn dieses Fundament gelegt wird: mit starken Schultern, offenen Ohren und unermüdlichem Einsatz für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.“

Auch AGJ-Vorsitzende Prof. Dr. Karin Böllert machte deutlich:

„Mit dem 18. DJHT machen wir die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe als unverzichtbaren Eckpfeiler der deutschen Gesellschaft sichtbar. Von der Politik erwarten wir eine starke Kinder- und Jugendpolitik, die vertrauenswürdige Rahmenbedingungen schafft.“

Wir, die beiden systemischen Fachverbände begrüßen diese Signale ausdrücklich, gleichzeitig erscheint es notwendig, sie kritisch zu betrachten. Denn was bedeutet „Teilhabe“ konkret in einer Kinder- und Jugendhilfelandschaft, in der Fördermittel häufig projektgebunden, Einrichtungen chronisch unterbesetzt, Träger durch finanzielle Unsicherheiten strukturell unter Druck stehen und Orte der offenen Kinder- und Jugendarbeit zunehmend aufgrund fehlender Finanzierungsgrundlage verschwinden? Wenn Ministerin Prien von einem „stabilen Fundament“ spricht, dann muss diese Metapher auch in die Realität übersetzt werden: in langfristig verlässliche Strukturen, in echte Beteiligung junger Menschen und in Ressourcen, die sicheres und fachlich fundiertes Arbeiten im Feld der Kinder- und Jugendhilfe dauerhaft ermöglichen.

Die Reden griffen drängende Themen auf, z. B. die psychische Gesundheit junger Menschen, Demokratieförderung oder soziale Ungleichheit. Aus unserer Sicht ist es entscheidend, diese Herausforderungen nicht als einzelne Phänomene zu betrachten, sondern in ihren komplexen und zirkulären Zusammenhängen zu erkennen. Psychische Belastungen junger Menschen können auch Ausdruck gesellschaftlicher oder familiärer Spannungen sein. Daher lassen sie sich nicht allein durch Programme zur Resilienzbewältigung auffangen, sondern brauchen strukturelle Veränderungen in Bildung, sozialer Sicherheit, niedrigschwellige Zugänge, systemübergreifenden Kooperationen und Räume für Beziehungsgestaltung.

Auch die immer wieder beschworene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen muss kritisch reflektiert werden: Wo geschieht echte Mitbestimmung auf Augenhöhe – und wo bleibt es bei symbolischen Gesten? Wer Teilhabe fordert, muss auch bereit sein, Macht zu teilen, Verantwortung abzugeben und Entscheidungsprozesse gemeinsam mit jungen Menschen zu gestalten.

Der DJHT 2025 war ein Ort der Resonanz, der Ermutigung und der Selbstvergewisserung. Er hat gezeigt, dass systemisches Denken und Handeln nicht nur anschlussfähig, sondern dringend notwendig ist, insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung. Gleichzeitig bleibt die Aufgabe, politische Willensbekundungen kritisch zu begleiten, auf ihre Umsetzung hin zu beobachten und Räume für den demokratischen Aushandlungsprozess zu ermöglichen.

Ein großer Dank gilt unseren Mitgliedern, die durch ihre Mitwirkung, ihre Präsenz und ihre Unterstützung diesen Auftritt möglich gemacht haben: Annett Gehres, Boris Gebhardt, Dana Hauptmann, Dominik Quehl, Sophie Spann-Broniecki, Monika Klenk-Bickel, Claudia Kühnel-Kalamorz, Laura Stach, Cornelia Jacob und Frank Wünsche.

Foto oben: Die Stand-Crew am 14. Mai 2025 (v. l. n. r.): Claudia Kühnel-Kalamorz, Matthias Richter, Annett Gehres, Birgit Averbeck, Dominik Quehl und Sophie Spann-Bronieck

Fotoimpressionen vom DJHT

Bildquelle: Systemische Gesellschaft

Stefan Vielmuth
(Referent Ressort Jugendhilfe der SG)

Kontakt
Systemische Gesellschaft e.V. Damaschkestr. 4,
10711 Berlin
www.systemische-gesellschaft.de
svielmuth@systemische-gesellschaft.de

Birgit Averbeck
(Fachreferentin für Jugendhilfepolitik der DGSF)

Kontakt
DGSF e. V.
Jakordenstraße 23, 50668 Köln
www.dgsf.org
averbeck@dgsf.org