Notwendige Änderungen des Psychotherapeutengesetzes und anderer damit verbundener Gesetze und Verordnungen aus Sicht der AGP

Arbeitsgemeinschaft Psychotherapie (AGP)

Arbeitsgemeinschaft Psychotherapeutischer Fachverbände (AGPF),
Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG),
Gesellschaft zur Förderung der Methodenvielfalt in der Psychologischen Psychotherapie (GMVPP),
Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP),
Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (VPP)

Notwendige Änderungen des Psychotherapeutengesetzes und anderer damit verbundener Gesetze und Verordnungen aus Sicht der AGP

Vorgelegt anlässlich des Gesprächs mit der Bundesministerin für Gesundheit am 06. November 2001 in Berlin

Der Wissenschaftliche Beirat

Die Absicht des Gesetzgebers, der psychologischen Psychotherapie auf hohem Qualitätsniveau neue Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen, wird durch die Praxis des Beirates in ihr Gegenteil verkehrt.

Der Beirat sollte im Sinne von § 11 PsychThG zur gutachtlichen Beratung der Länder ausschließlich zu Fragen der neuen Heilberufe dienen.
Er hat sich inzwischen als behördenähnliche Einrichtung ausgeformt, befasst sich mit berufs-, fach- und ausbildungspolitischen Fragen psychologischer Psychotherapie und gibt Empfehlungen zur Beschränkung staatlich anzuerkennender Ausbildungsstätten auf solche wissenschaftlich anerkannten Verfahren, denen er die Wirksamkeit in einer von ihm bestimmten Zahl von ihm definierter Anwendungsbereiche zuerkennt.
Eine Rechtsgrundlage für diese eigenständige Aufgabenzuweisung ist nicht ersichtlich.
Der Beirat hat seinen ihm gesetzlich zugewiesenen Auftrag offensichtlich verkannt, seine Kompetenzen rechtswidrig überschritten und sich an die Stelle der Wissenschaft gesetzt (Rechtliche Stellungnahmen Francke, Redeker, Spellbrink).
Der Wissenschaftliche Beirat arbeitet ohne Rechtsaufsicht und Revisionsinstanz.
Im Ergebnis blockiert der Beirat die Entwicklung der Psychotherapie im Sinne des PsychThG, er trägt in Anwendung seiner einseitigen Wissenschaftsauffassung zur Rückentwicklung der wissenschaftlichen Psychotherapie entscheidend bei.
§ 12 Abs.3 PsychThG ist außer Kraft gesetzt.

Schlussfolgerungen:
Das Bundesministerium für Gesundheit wird aufgefordert, die Rechtsaufsicht über den durch Bundesrecht eingerichteten Beirat wahrzunehmen.
Die Zuständigkeit des Beirates ist an der in Gründung befindlichen Bundespsychotherapeutenkammer anzusiedeln.

Die Legaldefinition

Die Legaldefinition schränkt die neuen Heilberufe auf Verfahren ein, die vorgesetzlich ohne Beteiligung der neuen Heilberufe definiert wurden.
Für andere psychotherapeutische Ansätze besteht praktisch ein Berufsausübungs- und Forschungsverbot. Die nach dem PsychThG zur Ausübung der Heilkunde Berechtigten dürfen nur auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 PsychThG tätig werden. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist dadurch für den Bereich der Psychotherapie außer Kraft gesetzt.
Durch die Verknüpfung von § 1 und § 11 PsychThG ist die Entwicklung und Anerkennung neuer Verfahren rechtssystematisch blockiert.
Nach § 1 PsychThG dürfen nur Verfahren angewendet werden, die – durch den Beirat – wissenschaftlich anerkannt sind. Verfahren, die nicht praktiziert werden dürfen, können auch nicht entwickelt und beforscht werden.

Schlussfolgerung:
Eine Neufassung der Legaldefinition ist dringend geboten.

Die Ausbildung zum PPT

Die derzeit geltenden Ausbildungsvorschriften im PsychThG und in der AprV verhindern die unter versorgungspolitischen Aspekten erforderliche ausreichende Heranbildung des beruflichen Nachwuchses.

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Die in der dreijährigen Ganztags-Ausbildung vorgeschriebene psychiatrische Tätigkeit von einem Jahr wird den Erfordernissen an eine qualifizierte Ausbildung nicht gerecht. Psychiatrische Tätigkeit sollte zugunsten des Erwerbs psychotherapeutischer Handlungskompetenz auf 6 Monate reduziert werden.

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Bereits in der Ausbildungszugangs-Qualifikation erworbenes psychologisches Grundlagenwissen sollte angerechnet werden.

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Der Nachweis früher erworbener Qualifikationen sollte unter Einbeziehung der dafür sachkompetenten Psychotherapeutenkammern auf eine Ausbildung nach § 8 ff. PsychThG angerechnet werden.

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Zur Herstellung der Ausbildungschancengleichheit der verschiedenen wissenschaftlich anerkannten Verfahren muß vorgesehen werden, dass alle zu vertiefter Ausbildung zugelassenen Verfahren sozialrechtlich gleichzustellen, d.h. dass alle Institutsambulanzen und staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für die praktische Ausbildung an Patienten von den Zulassungsausschüssen zu ermächtigen sind.

Bedarfsplanung

Die Bedarfsermittlung ist derzeit nicht am realen Bedarf orientiert, sondern ist gekoppelt mit der Rechengröße "Raumordnungskategorien". Die derzeitige Erhebungsart stellt keine Bedarfsermittlung, sondern eine rein zahlenmäßige bundesweit gemittelte Bestandsfeststellung "Psychotherapeut zu Bevölkerung" dar, die den realen Bedarf unermittelt lässt.
Sinnvoll und notwendig ist hier die Erhebung nachfragestatistischer und epidemiologischer Daten, wie in der Bedarfsplanungsuntersuchung des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung (dem sog. Löcherbachprojekt) vorgeschlagen. Dabei sollten unabhängige Bedarfszahlen für Kinder und Jugendliche erhoben werden.

Allgemeines und Sozialrecht

Anpassung anderer Gesetze

Weil wesentliche angrenzende Gesetze und Verordnungen bisher nicht an die Vorgaben durch das PsychThG angepasst wurden, lassen sich diese Vorgaben vielfach nicht umsetzen. Dies gilt besonders in allen Bereichen, die honorarmäßig nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigungen fallen, besonders der stationären, rehabilitativen und vorsorgenden Versorgung. Das betrifft die Einordnung der Psychotherapie in den SGB VI,VII,VIII und den neuen IX.
In der Psychiatriepersonalverordnung (PsychPV) kommt Psychotherapie nicht als (entsprechend zu finanzierende) Leistung von Psychotherapeuten vor.
In der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) kommt Psychotherapie gar nicht vor.
Im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), das allen Landesgesetzen zur Krankenhausversorgung zugrunde liegt, kommt Psychotherapie kaum, kommen die Psychotherapeuten selbst nicht vor. Bei der Diskussion um die DRG (Diagnosis Related Groups) sind Fragestellungen psychischer Erkrankungen im Zusammenhang mit den sie behandelnden Psychotherapeuten nicht angemessen oder überhaupt nicht vertreten.
Der Beruf Psychotherapeutin, Psychotherapeut ist dabei immer als ein eigenständiger Heilberuf aufzuführen. Insbesondere ist der Arztvorbehalt in § 43a SGB V zu streichen.
In den Regelungen des Dienst- und Tarifrechtes ist die Gleichstellung der Ärzte und der Psychotherapeuten zu gewährleisten.
Im Koordinierungsausschuss (der die Arbeit der Bundesauschüsse Ärzte und Krankenkassen und die Krankenhausgesellschaften und Krankenkassen überwacht) muss auch die künftige Bundespsychotherapeutenkammer vertreten sein.

Vertretung in den Gremien

Die Vertretung der Psychologischen Psychotherapeut/innen in den Gremien der sozialrechtlichen Selbstverwaltung muss auf allen Ebenen repräsentativ gewährleistet sein.

Zu empfehlen sind also Regelungen im SGB V sowie in den Regularien des Bundesmantel-Tarifs, die eine Besetzung aller in die Bedingungen der Vertrags-Psychotherapie eingreifenden Gremien mit Psychotherapeut/innen in entscheidungsrelevanter Zahl sicherstellt.

Bei bereits bestehenden Gremien, die derzeit paritätisch mit ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungserbringern besetzt sind, diese zukünftig demokratisch nach den zu vertretenden Leistungserbringerzahlen zu besetzen.

Beratender Fachausschuss bei den KV und bei der KBV

Das Adjektiv "beratender" sollte gestrichen werden und das Gremium in die Entscheidungsstruktur der Selbstverwaltung integriert werden. Den Entscheidungen des jeweiligen Fachausschusses Psychotherapie müsste ein verbindlicher Charakter verliehen werden, welcher nur mit einer Mehrheit z. B. seitens der Vertreterversammlung überstimmbar sein sollte.

Bewertungsausschuss § 87 Abs. 1 SGB V

Den Gremien nach dem Bundesmanteltarif, deren Bestandteil auch die Bewertungsausschüsse sind, ist eine eindeutig definierte Dienstaufsicht mit Vetorecht (BMG) überzuordnen. Wie im Bundesausschuss Ärzte-Krankenkassen soll auch beim Bewertungsausschuss zu Angelegenheiten der Psychotherapie eine Besetzung der Leistungserbringerbank mit ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und Ärztinnen und Psychotherapeuten im Zahlenverhältnis der zu vertretenden Leistungserbringer-Gruppen eingerichtet werden.

Falls die Einrichtung kassenpsychotherapeutischer Vereinigungen als Körperschaften öffentlichen Rechts als Vertragspartner der GKV nicht doch als sinnvoll angestrebt werden sollte, so sollte wenigstens konsequent die Umstrukturierung der KVen und der KBV in unabhängige Sektionen der Hausärzte, Fachärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit sektionsautonomen Gremienstrukturen und Sektionsbudgets angestrebt werden.

Im übrigen verweist die AGP auf ihre ausführliche Stellungnahme gegenüber dem BMG zu einer Novellierung des PsychThG vom Januar 2001

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