Familienberatung - Systemische Beratung

Hintergründe zur systemischen Beratung und Familienberatung.

In der DGSF hatte Beratung lange Zeit ihren primären Fokus auf die Familienberatung gerichtet; diese nährte sich fachlich aus der  Familientherapie und bezog sich auf die Familientherapie als Therapieverfahren. Mit „Familie“ war auch immer schon die jeweilige und sehr konkrete Formation und Konstellation einer Familie gemeint, unabhängig davon, ob es sich um eine sog. Kernfamilie oder um eine zusammengesetzte Familie, eine Teilfamilie oder eine Ersatz- oder Pflegefamilie handelte. Gegenüber den Familienformen herrscht systemischerseits eine unbedingte Offenheit.
Mittlerweile geht es bei der systemischen Fundierung von Beratung immer auch um andere Systemebenen: Angehörige von Klienten, Patienten, Bewohnern; die Mitarbeiter/innen in einem sozialen Arbeitsbereich; also die Mischung aus Mikro- und Meso-Systemen ganz in der Nähe der Klienten selbst, sind mitgemeint.

Was bedeutet Beratung?

Beratung ist auch im internationalen Kontext ein eigenes Konzept der sozialen Hilfeleistung von Menschen für Menschen. Als psychosoziale Beratung hat sie ihre fachliche Fundierung vornehmlich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Therapieschulen und vorwiegend in der institutionellen Beratung ab den 50er Jahren in Deutschland entwickelt. Als „Counseling“ (im internationalen Sprachgebrauch) ist Beratung entweder lebensweltlich, dem Familiensystem als Mikrosystem hin orientiert oder stärker den „Mesosystemen“ Beruf / Arbeit / Nichtarbeit, Freizeit, Bildung etc. zugewandt. Unter dem Dach von Counseling sind Supervision und Coaching als arbeitsweltlich orientierte Beratung mit eingeschlossen.

Was ist Familienberatung (Beratung von Mikrosystemen)?

Wenn man im Bronfenbrenner’schen Sinne die verschiedenen Systemebenen einbezieht, dann meint Familienberatung die Beratung von Mikrosystemen wie Familie, Pflege-, Adoptions- und andere Formen von Ersatzfamilien, die alltägliche und existentielle Bedeutsamkeit haben. Im Unterschied zu anderen psychosozialen Beratungsformaten, beachtet die systemische Beratung das soziale Umfeld, die soziale Eingebundenheit von Menschen und damit deren Mikro-Systemdynamiken. Sie ist dem Empowerment (Konzept der Sozialen Arbeit) nahe und der daraus resultierenden Ressourcensicht verpflichtet. Empowerment hat als Ziel die Stärkung der Autonomie und Eigenmacht der Menschen und nutzt alle Selbstbemächtigungs- und Selbstbefähigungspotentiale, um dies zu erreichen. Systemische Beratung schaut auf die in die Beratung mitgebrachten Probleme, doch geht der Orientierungsweg in die Veränderung d. h. in die Ausrichtung auf eine Verbesserung der Lebenssituation.
Die systemische Beratung nutzt die Grundlagen und Erfahrungen der systemischen Diagnostik, der Interventionen und zur Prozessgestaltung aus der systemischen Familientherapie. So ist sie historisch eng mit der Geschichte und Entwicklung der Familientherapie verknüpft. Sie grenzt sich von der Familientherapie als Psychotherapieverfahren ab, nutzt aber die Elemente des systemischen Diagnostizierens, das systemische Interventionsrepertoire, die komplexe Ziel- und Auftragsklärung, die Ressourcen des Kontextes und vieles andere mehr.

Systemische Beratung – Menschen in Beziehungen

Systemische Beratung bezieht sich auf die Grundlagen der Systemtheorie, der systemischen Familientherapie und der Beratungswissenschaft. Sie erklärt das Verhalten von Menschen nicht isoliert aus deren inneren Eigenschaften heraus, sondern aus ihren Beziehungen und Interaktionen untereinander und zu ihrer Systemumwelt. Familienberatung / Systemische Beratung zielt – genau wie die Familientherapie – auf die Erweiterung von Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten ab. Familienberatung / Systemische Beratung ist aufmerksam für den Kontext der Ratsuchenden, sie achtet auf deren Ressourcen und Autonomie. Sie pflegt einen respektvollen Dialog mit dem beraterischen Gegenüber.

Differenzierung von Familientherapie und Familienberatung

Eine genaue Differenzierung von Familientherapie und Familienberatung ist in der Fachwelt umstritten, da Experten der Familientherapie ihr Tun im umfassenden Sinne meist als Beratung verstehen und gleichzeitig hat Familienberatung immer auch therapeutische und heilende Wirkungen.  
Der „zeitliche Korridor“ von Beratung ist allerdings meist kürzer und  Krisen bezogener im Unterschied zur Therapie. In kritischen Lebensumständen sollen durch systemische Beratung kurzzeitige handlungs- und alltagsbewältigende Lösungen gefunden werden. Aus systemischer Sicht ist zentral bedeutsam, wie die Ratsuchenden selbst eine Unterschiedsbildung herstellen, wie sich eine mögliche Differenzierung von Beratung und Therapie auf dem Hintergrund der Ziele der Ratsuchenden entwickelt und wie die Klienten / Ratsuchenden die helfende Beziehung selbst definieren. Auch die Problemtiefe kann ein unterscheidender Indikator zwischen Beratung und Therapie sein. Möglicherweise braucht der / die Berater / in eine noch schnellere und konsequentere Entschiedenheit in Diagnostik und Hypothesenbildung und den Mut zum Probehandeln (als Intervention).
Systemische Beratung insgesamt wird sich als eigenständige Disziplin weiterentwickeln, sie orientiert sich an unterschiedlichsten gesetzlichen Rahmenbedingungen und wird als eigenständige Disziplin weitere Wege der Akademisierung gehen.

(Renate Zwicker-Pelzer / DGSF )

Stand: September 2018

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Weitere Informationen

Für Ratsuchende

Flyer der Deutschen Gesellschaft für Beratung "Wie erkenne ich gute Beratung?"